Zi veröffentlicht systematische Literaturübersicht zur Relation von Notfall- und primärärztlicher Versorgung

Selbsteinweisende können Notaufnahmen stark belasten // Steuerung von Patientenströmen erforderlich, um vermeidbare Belastungen in der Notfallversorgung zu reduzieren // „Sogeffekte weg von der Regel- hin zur Notfallversorgung müssen eingedämmt werden"

Patientinnen und Patienten ohne ärztliche Einweisung dürfen in Deutschland eine Notaufnahme nur in Notfällen in Anspruch nehmen. Im Falle akuter Behandlungsanliegen fällt die Beurteilung, ob die Inanspruchnahme einer Notaufnahme gerechtfertigt ist, ohne kompetente medizinische Ersteinschätzung oft schwer. Ein erheblicher Anteil der heute in Notaufnahmen ambulant vorgenommenen Behandlungen könnte auch in Arztpraxen erfolgen. International wird daher nach Lösungen gesucht, wie die direkte Inanspruchnahme der Notaufnahmen durch Selbstvorstellende so gesteuert werden kann, dass das richtige Versorgungsangebot zur richtigen Zeit in Anspruch genommen wird. Steuernde Effekte können aber auch von Veränderungen im Versorgungsangebot ausgehen. So berichten Rettungsdienste über vermehrte Anrufe Hilfesuchender in ländlichen Regionen, in denen eine Arztpraxis geschlossen wurde. Umgekehrt ist davon auszugehen, dass Erleichterungen beim Zugang zu Notaufnahmen zunehmend Akutfälle aus der hausärztlichen Versorgung in Krankenhäuser lenken.

„Wenn Patientinnen und Patienten lernen, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung über Angebote der Notfallversorgung einfacher ist, entsteht ein gefährlicher Sogeffekt weg von der Regel- hin zur Notfallversorgung. Die zwangsläufige Folge wäre eine weiter zunehmende Überlastung der Notfallversorgung. Die nun anstehende Reform der Akut- und Notfallversorgung darf den Zugang zur akuten medizinischen Versorgung nicht so regeln, dass Hilfesuchende die Notfallversorgung der Regelversorgung allein aus Gründen der Einfachheit vorziehen. Kurz gesagt: Wer die Notaufnahmen entlasten will, muss die hausärztliche und wohnortnahe fachärztliche Versorgung stärken“, forderte der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried.

Entscheidend sei daher im aktuellen Reformprozess, dass bei der Ausgestaltung der Integrierten Notfallzentren (INZ) aus Sicht der Versicherten keine Überholspur für diejenigen geschaffen werde, für die der Gang in eine nahe Notaufnahme für viele Behandlungswünsche die bequemste Lösung wäre, auch wenn im Einzelfall keine besondere Dringlichkeit bestünde, so von Stillfried weiter. Die internationale Forschung zeige, dass hier eine reale Gefahr bestehe und eingeschliffene Verhaltensmuster nur noch schwer rückgängig zu machen seien.

Vor diesem Hintergrund hat das Zi aktuell eine systematische Literaturübersicht zur Substitutionsbeziehung zwischen Notfallbehandlung und hausärztlicher Versorgung veröffentlicht. Demnach sind es überwiegend patientenseitige Faktoren, die die Nutzung einer Notaufnahme durch Hilfesuchende auch mit geringer Dringlichkeit erklären. Laut Studie könne ein umfassenderes und gut zugängliches primärärztliches Versorgungsangebot außerhalb von Notaufnahmen und mehr Wissen darüber zu einer verringerten Inanspruchnahme von Notaufnahmen führen. Zudem könne ein vermehrtes Wissen über alternative primärärztliche Versorgungsangebote die Inanspruchnahme dieser Angebote fördern und die Inanspruchnahme von Notaufnahmen verringern.

Gleichzeitig sei ein gemeinsamer Zugang mit Triage hilfreich, Selbsteinweisende von einer gemeinsamen Anlaufstelle in Notaufnahmen und zu Primärversorgern zu steuern und die Inanspruchnahme der Notaufnahmen zu reduzieren. Ein umfassenderes primärärztliches Versorgungsangebot innerhalb von Notaufnahmen könne zu einer verringerten Inanspruchnahme der Notaufnahmen führen, jedoch gleichzeitig eine erhöhte Inanspruchnahme an diesem Standort bedeuten (Sogeffekt). Dies könne in Konkurrenz zur telefonischen Beratung von Patientinnen und Patienten sowie zu hausärtzlichen Hausbesuchen stehen. Darüber hinaus könne die Einführung von Zuzahlungen zu einer Verringerung potenziell vermeidbarer Notaufnahme-Besuche führen.

Die systematische Literaturanalyse wurde von der Agentur DARUM im Auftrag des Zi streng nach den dafür geltenden methodischen Standards erstellt und betrachtet die im Zeitraum von 2010 bis April 2024 publizierte deutsch- und englischsprachige Literatur zur Beziehung zwischen Notfall- und (primär)ärztlicher Versorgung. Bevorzugt wurden Interventionsstudien herangezogen, in denen untersucht worden ist, in welchem Umfang verschiedene Faktoren wie etwa das Ausmaß und die Erreichbarkeit (primär)ärztlicher Versorgungsangebote, aber auch das Versorgungsangebot an Notaufnahmen und dessen Erreichbarkeit die Inanspruchnahme der Notfallversorgung an Notaufnahmen durch Selbsteinweisende beeinflussen. Die Agentur wird auch eine englischsprachige Publikation auf Grundlage des Berichts erstellen, die in einer Fachzeitschrift mit Peer-Review veröffentlicht werden soll.
 

Danner M, Rummer A: Evidenzbericht: Notfall- oder (primär)ärztlicher Versorgung. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Berlin 2024.
 

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Daniel Wosnitzka

Leiter Stabsstelle Kommunikation / Pressesprecher