Das Bundesministerium für Gesundheit hat gestern den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung“ veröffentlicht. Hierzu erklärt der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried:
„Der gestern bekannt gewordene Referentenentwurf trägt den zahlreichen Kooperationsprojekten zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen, Krankenhäusern und Rettungsdiensten, die auf eine Entlastung der Notfallversorgung zielen, erkennbar Rechnung. Der Gesetzentwurf enthält damit das Potenzial, die Steuerung von Patientinnen und Patienten in der Akut- und Notfallversorgung zu verbessern. Entscheidend ist, dass bei der Ausgestaltung der Integrierten Notfallzentren (INZ) keine Doppelstrukturen geschaffen werden sollen. Erreicht werden soll das dadurch, dass Öffnungszeiten sinnvoll angepasst und entsprechend der relevanten Inanspruchnahme durch Patientinnen und Patienten modifiziert werden können. Zudem ist während der Sprechstundenzeiten eine Steuerung in Kooperationspraxen vorgesehen. Diese explizite Steuerungsfunktion wird aber auf die rund 700 INZ-Standorte begrenzt, die sich laut Entwurf anhand der Kriterien für die Standortwahl ergeben sollen. Rechnerisch bleiben somit rund 500 Krankenhausstandorte, an deren Notaufnahmen keine obligate Steuerung stattfinden soll.
Es ist fraglich, ob die geplanten Einsparziele von rund 1 Milliarde Euro pro Jahr so erreicht werden können. Der Gesetzentwurf setzt dazu auch auf eine verbesserte telefonische und digitale Erreichbarkeit der Leitstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (Rufnummer 116117, www.116117.de) und auf eine engere Kooperation mit den Leitstellen des Rettungsdiensts (Rufnummer 112). Allerdings enthält der Gesetzentwurf keine Regelungen, mit denen Rettungsdienstbereiche veranlasst werden, aktiv in eine solche Kooperation einzutreten. Hierzu wären etwa die Erstattungsregeln der Fahrtkosten zu modifizieren.
Zudem sieht der Gesetzentwurf zwar höhere Anforderungen an die Erreichbarkeit der 116117 vor. Die gesetzlichen Krankenkassen sollen aber nur 50 Prozent der Overhead-Kosten für das verbesserte Angebot tragen. Die übrigen Aufwendungen müssten aus Beiträgen von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten an die Kassenärztlichen Vereinigungen gedeckt werden. Der Gesetzgeber würde somit großzügig Mehrleistungen für die Versichertengemeinschaft bestellen, aber nur die Hälfte bezahlen lassen. So etwas gilt weder im Rettungsdienst noch für die Kliniken. Diese Ungleichbehandlung trifft auf Unverständnis. Der Aufwand für eine erweiterte Vorhaltung und für eine reibungslose sektorenübergreifende Zusammenarbeit, die den Versicherten zugutekommen und die Notfallversorgung wirksam entlastet, darf nicht geringgeschätzt werden. Sie muss vielmehr als Leistung verstanden und auch als solche finanziert werden.
In Zeiten des Personalmangels stößt der sogenannte 24/7-Fahrdienst, die Erweiterung der Hausbesuche im Bereitschaftsdienst auch auf die Praxisöffnungszeiten, schnell an Grenzen. Gerade sind dem Bereitschaftsdienst viele ärztliche Kapazitäten verloren gegangen – aufgrund von Kostensteigerungen, da die Tätigkeit im organisierten Bereitschaftsdienst anders als im notärztlichen Dienst sozialversicherungspflichtig sein soll. Der Gesetzgeber kann hier eine Gleichstellung mit der notärztlichen Tätigkeit herbeiführen und so eine künstliche Personalverknappung rückgängig machen. Aber auch diese Kapazitäten stehen tagsüber nicht bereit. Ein Hausbesuchsdienst müsste daher tagsüber nahezu vollständig an andere Gesundheitsberufe delegiert werden. Auch bei zurückhaltendem Einsatz durch die 116117 würde zusätzliches Personal in erheblichem Umfang erforderlich sein. Ein solcher Dienst wird damit in Konkurrenz zu Praxen, Rettungsdiensten und Krankenhäusern treten. Damit bestünde die Gefahr einer Doppelstruktur zu Funktionen des Rettungsdienstes. Folglich wäre es logisch, einen solchen Besuchsdienst nur dort einzuführen, wo die Erreichbarkeit der vertragsärztlichen Versorgung bedarfsgerecht erhöht und der Rettungsdienst hierdurch gezielt entlastet wird.“
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