Die Terminsteuerung in Arztpraxen als Schlüssel zur Effizienzsteigerung und besseren Patientenversorgung// Selbstbuchungen von Terminen im Vergleich zu Vorjahr verdoppelt – digitale Lösungen zunehmend akzeptiert, aber immer noch zu wenig genutzt
In den vergangenen 12 Monaten haben die Praxen den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) rund 2,8 Millionen Termine gemeldet, tatsächlich konnten nur 1,4 Millionen (50 Prozent) davon vergeben werden. Seitens der Krankenkassen wurde jüngst gefordert, die Praxen sollten mindestens 25 Prozent ihrer Termine in einem zentralen Terminspeicher für die digitale oder telefonische Buchung zur Verfügung stellen. Je nach Region in Deutschland müssten die Praxen nach Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) demnach zwischen sechs und 157-mal mehr Termine zur digitalen Buchung bereitstellen als heute. Wesentlich umfangreicher müssten aber die Versicherten ihren Zugangsweg zu Arztpraxen ändern. Sie müssten zwischen 16- und 291-mal mehr über einen solchen zentralen Terminspeicher gehen. Im bundesweiten Durchschnitt müssten Praxen 47-mal mehr Termine anbieten jedoch die Versicherten 83-mal mehr Termine abrufen. Obwohl eine digitale Terminbuchung viele Praxen entlasten könnte, besteht die Herausforderung dahin, das Terminangebot im Einklang mit dem Nutzungsverhalten der Patienten und Patientinnen zu steigern, da ansonsten wertvolle Termine ungenutzt verfallen.
Generell gilt: Wer wegen eines akuten Anliegens oder einer chronischen Krankheit eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen will, hat in der Regel keine Probleme, kurzfristig einen Termin zu bekommen, so repräsentative Ergebnisse der Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. In vielen Regionen und für bestimmte Facharztrichtungen wird die Terminknappheit aber drängender wahrgenommen und ist entsprechend Gegenstand medialer Berichterstattung. Da nicht jede gesundheitliche Beschwerde sofort ärztlich gesehen werden muss, steht die Frage im Raum, wie dringende Anliegen möglichst schnell zu einer angemessenen Behandlung finden können. Das Thema gewinnt Bedeutung, da die Versorgungsbedarfe eher zunehmen, die verfügbaren ärztlichen Kapazitäten in den Praxen aber immer weniger werden.
Die telefonische und zunehmend digitale Terminvermittlung insbesondere in Akutfällen gehört deshalb seit 2019 zum Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen. Im Zuge der Digitalisierung wird es auch immer komplexer zu bestimmen, was bedarfsgerecht ist. Es geht nicht nur um „Wann?“ und „Wohin?“, sondern auch darum, ob ein telemedizinischer Kontakt zunächst ausreicht. Mit diesem Themenkomplex rund um die digitale Terminvermittlung beschäftigte sich die gestrige Ausgabe der virtuellen Diskussionsrunde.
Als Terminvermittler übernehmen die KVen eine besondere Rolle. Beispielhaft wird diese durch das neue digitale Versorgungsangebot der KV Bayerns, DocOnLine, ausgefüllt. DocOnLine verbindet eine innovative Online-Terminvergabe mit einem intelligenten Steuerungssystem für Patientinnen und Patienten. So erklärte Fabian Demmelhuber, Leiter des Referats Versorgungsinnovationen der KV Bayerns, dass Hilfesuchende im Portal DocOnLine zunächst durch eine digitale Selbsteinschätzung geleitet werden. Wer eine sofortige Versorgung benötigt, wird direkt an den richtigen Arzt oder Ärztin beziehungsweise eine geeignete Notfallversorgung verwiesen, während weniger dringende Fälle zur Videosprechstunde an Praxen oder Fachärztinnen und Fachärzte geleitet werden. Dort kann wahlweise ein Termin gebucht oder im digitalen Wartezimmer Platz genommen werden. „Mit DocOnLine vereinen wir digitale und analoge Stärken“, so Demmelhuber. DocOnLine erleichtert es den Praxen, ihre Terminpläne besser auszulasten und gleichzeitig den Patientenfluss effizient zu steuern. Patientinnen und Patienten können auf einfache Weise einen Termin oder Videotermin buchen und das System stellt sicher, dass jeder Fall nach medizinischer Dringlichkeit priorisiert wird. Dies führt nicht nur zu kürzeren Wartezeiten, sondern auch zu einer effizienteren Verteilung der vorhandenen Ressourcen im Gesundheitswesen.
Terminservicestellen der KV bieten in Akutfällen überall in Deutschland rund um die Uhr unter der Rufnummer 116117 zunächst eine telefonische Ersteinschätzung und dann ein angemessenes Versorgungsangebot an. In zehn Bundesländern existiert auch bereits ein digitaler Zwilling dieses Angebots, der über die Webseite www.116117.de erreicht wird. Daneben können auch weniger dringliche Termine z.B. mit einem Überweisungscode digital gebucht werden.
Volker Dentel, Geschäftsführer der kv.digital GmbH, hob die stark wachsende Akzeptanz dieser digitalen Terminbuchungsoption hervor: Die Anzahl der Selbstbuchungen durch Hilfesuchende sowie digitaler Terminbuchungen von Praxen für Patientinnen und Patienten mit besonders dringlichen Überweisungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Diese Entwicklung sei ein klares Zeichen dafür, dass digitale Lösungen zunehmend Einzug in den Praxisalltag halten und von den Nutzern positiv aufgenommen werden. Es wird weiter daran gearbeitet, allen gesetzlich Versicherten die Möglichkeit nahe zu bringen, Arzttermine online digital über die Webseite www.116117.de bzw. die 116117.app buchen zu können.
Dr. Karsten Braun, Vorsitzender des Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, machte auf die Herausforderungen in ländlichen Regionen aufmerksam. Er betonte, dass die Bevölkerung in diesen Gebieten damit rechnen müsse, längere Anfahrtswege und Wartezeiten in Kauf zu nehmen, da die Versorgung durch Hausärzte nicht in allen Fällen vor Ort gewährleistet werden könne. Dies sei Teil der notwendigen Anpassung angesichts begrenzter medizinischer Ressourcen und des zunehmenden Bedarfs an spezialisierten medizinischen Leistungen. Gerade in den ländlicheren Regionen könnte eine digitale Terminbuchung und ein verstärktes telemedizinisches Angebot wie DocOnLine helfen. Die Aufgabe bestehe nun darin, eine graduelle Steigerung so zu erreichen, dass das digitale Terminangebot der Praxen abgerufen wird und Versicherte im Falle dringlicher Anliegen rechtzeitig Termine vorfinden. Gelinge dies, würde wertvolle Arbeitszeit für die Patientenversorgung frei werden, die jetzt noch für Telefonate genutzt werden muss. Gerade wegen dieser zentralen Funktionen für die Sicherstellung der Versorgung dürfe die digitale Terminvermittlung aber nicht zum Spielfeld kommerzieller Dienstleister werden.
„Zeitsparende Digitalisierung ist ein wesentlicher Baustein zur Zukunftssicherung der ambulanten Versorgung. Sie ermöglicht es, medizinische Ressourcen effizienter zu nutzen und den Hilfesuchenden genau dann die passende Versorgung zukommen zu lassen, wenn sie sie benötigen. Die Digitalisierung der 116117 ergänzt durch Lösungen wie DocOnLine sind ein Gewinn für Praxen und für die Patientinnen und Patienten“, schloss Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zi, die Veranstaltung ab.
Mit der virtuellen Reihe „Zi insights“ stellt das Zi kurz und knapp neue Studien- und Projektergebnisse vor, um diese mit Expertinnen und Experten und digital zugeschalteten Gästen live zu diskutieren.
Den Programmflyer der gestrigen Ausgabe „Auslaufmodell Sektorentrennung: Wieviel Ambulantisierungspotenzial steckt in den Kliniken?“ finden Sie hier.
Der Mitschnitt des Livestreams sowie die präsentierten Folien stehen Ihnen hier zur Verfügung.
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