Zwei Studien prämiert: Ausbreitungsdynamik der zweiten COVID-19-Welle, regionale Versorgungsplanung vertragsärztlicher Leistungen
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat heute zwei herausragende wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung regionaler Unterschiede in der Gesundheitsversorgung ausgezeichnet. Der mit insgesamt 7.500 Euro dotierte Wissenschaftspreis „Regionalisierte Versorgungsforschung“ wird jährlich vom Zi vergeben. Die prämierten Arbeiten werden im Versorgungsatlas veröffentlicht. Aufgrund des Votums der externen wissenschaftlichen Gutachter wurde der Preis geteilt.
Ausgezeichnet wurden zum einen Andreas Schuppert und Christian Karagiannidis (RWTH Aachen University bzw. Kliniken der Stadt Köln und Universität Witten/Herdecke) für ihre Arbeit „Heterogene Ausbreitungsdynamik in Deutschland während der 2. Welle der COVID-19-Pandemie: Zusammenhang mit Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens“. Die Autoren erhalten ein Preisgeld in Höhe von 4.500 Euro. Koautor:innen sind Katja Polotzek, Jochen Schmitt, Reinhard Busse und Jens Karschau.
Die Wissenschaftler:innen haben in ihrer Arbeit die regional stark voneinander abweichenden Inzidenzraten in der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie untersucht. So zeigte sich im Oktober 2020 ein bundesweites exponentielles Wachstum der wöchentlichen Inzidenzraten mit einer Verdopplungszeit von 10 Tagen. Ein Teil-Lockdown im November 2020 konnte die Gesamtinfektionsraten um 20 bis 40 Prozent verringern, mit einem plateauartigen Verlauf im Norden und Südwesten Deutschlands. Die östlichen Landesteile wiesen hingegen einen weiteren nahezu linearen Anstieg von 30 bis 80 Prozent auf. Insgesamt stiegen die Inzidenzraten im Alterssegment über 60 Jahre während des Teil-Lockdowns noch um 15 bis 35 Prozent. Nur ein erweiterter Lockdown führte dann zu einem deutlichen Rückgang der Inzidenzraten. Durch diese späteren Maßnahmen sanken die Zahlen in allen Altersgruppen und in allen Regionen um 15 bis 45 Prozent.
Der zweite, mit 3.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis wurde Stephan L. Thomsen von der Leibniz Universität Hannover zuerkannt. Gemeinsam mit den Koautor:innen Kai Ingwersen und Insa Weilage hat Thomsen zu „Versorgungsgradprognosen als Baustein einer evidenzbasierten Versorgungsplanung“ geforscht. Die Studie prognostiziert den Bedarf an Vertragsärzt:innen in Niedersachsen bis zum Jahr 2035. In einem Kohortenmodell wird projiziert, dass die Anzahl der Hausärzt:innen bis 2035 von aktuell 5.044 auf rund 3.750 sinken wird. In der fachärztlichen Versorgung werde es starke Tendenzen zur Unterversorgung in ländlichen Planungsbereichen geben, so die Autor:innen. Besonders betroffen seien die Fachgruppen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Dermatologie, Neurologie und Urologie.
„Versorgungsforschung ist eine angewandte Wissenschaft, die das Handeln von Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen unterstützen soll. Der Versorgungsatlas ist dafür ein besonders geeignetes Medium. Er liefert konkrete Hinweise, wo gegebenenfalls Versorgungslücken geschlossen und Synergieeffekte genutzt werden können“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. „Gerade der räumliche Bezug führt oftmals zu ganz neuen Erkenntnissen. Regionen mit besonders guten Ergebnissen können zum Vorbild für die Versorgung in anderen Regionen werden.“
Das Zi lädt Forscher:innen auch in diesem Jahr wieder ein, wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Erforschung regionaler Unterschiede in der medizinischen Versorgung einzusenden. Darunter fallen ausdrücklich auch Arbeiten, die sich mit der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung beschäftigen und sich aus Ergebnissen regionalisierter Versorgungsforschung ergeben. Einsendeschluss ist der 4. Oktober 2022, die Preisverleihung ist für Ende 2022 geplant. Details zum Wissenschaftspreis und zu den Teilnahmevoraussetzungen finden Sie hier.
Die Berichte der Preisträger 2021 im Versorgungsatlas: