Vorsorge-Darmspiegelungen verhindern rund ein Viertel der Darmkrebsneuerkrankungen pro Jahr. Wissenschaftler empfehlen, vor allem mehr Männer zum Screening zu ermutigen
Dank der gesetzlich verankerten Früherkennungs-Darmspiegelungen kann die Zahl der jährlichen Darmkrebserkrankungen langfristig um mehr als ein Viertel gesenkt werden. Dies prognostizieren Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, die gemeinsam mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die Befunde von 4,4 Millionen Patienten ausgewertet haben. Demnach werden besonders Menschen zwischen 75 und 84 Jahren seltener als bisher an Darmkrebs erkranken.
Deutschland hat 2002 Darmspiegelungen (Koloskopien) als Bestandteil des gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramms eingeführt. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten für ein Koloskopie-Screening seither für Mitglieder ab 55 Jahren; die Untersuchung sollte nach zehn Jahren wiederholt werden. Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 63.000 Menschen an Darmkrebs.
Die Wissenschaftler haben nun ausgerechnet, dass mit dem Screening langfristig bis zu 16.000 Neuerkrankungen pro Jahr verhindert werden – mehr als ein Viertel der vor Einführung dieser Maßnahme aufgetretenen Fälle. In der Altersgruppe der 75- bis 84-Jährigen wird letztlich ein Rückgang um mehr als 3.000 (Frauen) und mehr als 4.000 (Männer) pro Jahr erwartet. „Berücksichtigt man die erwartete fortschreitende Lebenserwartung, könnten die Zahlen sogar noch höher liegen“, sagt Dr. Lutz Altenhofen (Zi), einer der Co-Autoren der Studie.
Grundlage für die Berechnung ist ein von Prof. Hermann Brenner am DKFZ entwickeltes mathematisches Modell, das neben den Koloskopie-Befunden und der Sterblichkeitserwartung in der deutschen Wohnbevölkerung unter anderem auch berücksichtigt, mit welcher Häufigkeit und in welchem Zeitraum sich verschiedene Darmkrebsvorstufen zu bösartigem Krebs weiterentwickeln.
Auf dieser Basis hat das Team von DKFZ und Zi Modellkalkulationen der jährlich verhüteten Darmkrebsfälle bis zum Jahr 2045 durchgeführt. Die Ergebnisse sind in dieser Woche im European Journal of Cancer veröffentlicht worden.
„Damit können wir erstmals quantifizieren, welche Effekte der Screening-Koloskopie wann zu erwarten sind“, erläutert Hermann Brenner. Gleichwohl gibt Brenner zu bedenken, dass die Effekte noch sehr viel größer sein könnten, da bisher nur eine Minderheit der Bevölkerung das Früherkennungsangebot wahrnimmt.
„Wir hoffen daher sehr, dass die Ergebnisse das Vertrauen in das Screening fördern“, sagt Hermann Brenner. Die Gesundheitspolitik erhält mit den nun präsentierten Hochrechnungen eine zuverlässigere Basis, um informierte Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Screening Angebote zu treffen.
Wünschenswert wäre vor allem, dass sich Männer häufiger an der Früherkennungs-Koloskopie beteiligen, da sie öfter und durchschnittlich fünf Jahre früher an Darmkrebs erkranken als Frauen. Möglicherweise wird das vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Aussicht gestellte Einladungsverfahren zur ärztlichen Beratung über die Möglichkeiten der Vermeidung von Darmkrebs die Beteiligungszahlen am Koloskopie-Screening weiter erhöhen. „In Kombination mit anderen Früherkennungsmethoden und Fortschritten bei der Darmkrebstherapie könnten die Erkrankungs- und Sterbefälle an dieser Krebsart in den nächsten Jahrzehnten wohl weiter deutlich eingedämmt werden“, bilanziert Lutz Altenhofen.
Brenner H. et al., Expected long-term impact of the German screening colonoscopy programme on colorectal cancer prevention: Analyses based on 4,407,971 screening colonoscopies, Eur J Cancer (2015), dx.doi.org/10.1016/j.ejca.2015.03.020
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