Mit zweitem Corona-Lockdown ab November 2020 erneut deutlicher Rückgang der ambulanten Behandlungsfälle // Arztpraxen mit Impfrekord gegen Influenza und Pneumokokken
Kontaktbeschränkungen führen immer auch zu einer geringeren Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen. Das ist das zentrale Ergebnis des heute vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) veröffentlichten Trendreports zur Entwicklung der vertragsärztlichen Leistungen im gesamten Jahr 2020.
Nachdem die Inanspruchnahme vertragsärztlicher und vertragspsychotherapeutischer Leistungen mit Beginn der COVID-19-Krise Anfang März 2020 stark zurückgegangen und sich erst ab Ende Mai wieder normalisiert hatte, haben die Fallzahlen mit dem zweiten Lockdown ab November 2020 erneut deutlich nachgegeben. Mit Beginn des vierten Quartals sind die Gesamtfallzahlen gegenüber dem Vorjahr zwar zunächst leicht angestiegen (+6,3 Prozent), waren dann ab Anfang November aber mit einem Minus von bis zu 4,5 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten wieder stark rückläufig. Bezogen auf die Versorgungsbereiche sind die stärksten Fallzahlrückgänge bei Kinder- und Jugendärzten mit einem Rückgang von bis zu 16,7 Prozent zu beobachten. Bei psychotherapeutisch tätigen Ärzten betrug der Fallzahlrückgang bis zu 14,1 Prozent. Zudem ist die Anzahl hausärztlicher Fälle mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt im November 2020 mit minus 13,2 Prozent deutlich unter den Vorjahreswert gesunken. Auch innerhalb der Gruppe der Fachärzte sind ab November erneut Fallzahlrückgänge zu beobachten. Am stärksten fallen diese bei den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten (-15 Prozent) und Chirurgen (-12,5 Prozent) aus.
Vor dem Hintergrund weiter zurückgehender Behandlungszahlen in der Corona-Pandemie und zeitgleicher Schutzmaßnahmen für Krankenhäuser bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried: „Die von der Politik beschlossenen Begleitmaßnahmen zur Corona-Pandemie greifen tief in die vertragsärztliche und psychotherapeutische Versorgung ein. Die im März 2021 vom Gesetzgeber getroffene Regelung, um pandemiebedingte Einschnitte bei den Praxen aufzufangen, ist aber kein Schutzschirm. Umsatzverluste einzelner Praxen müssen aus dem budgetierten Gesamthonorar, also letztlich durch die Ärzte und Psychotherapeuten untereinander ausgeglichen werden. Extrabudgetär vergütete Leistungen wie Vorsorgeuntersuchungen und ambulante Operationen, die stark rückläufig waren, sind dabei nicht berücksichtigt. Wer den enormen Einsatz der Vertragsärztinnen und -ärzte und ihrer Praxisteams in der Pandemie schätzt, spannt den Schutzschirm von 2020 für die Praxen wieder auf.“
Sichtbar werde der Einsatz der Arztpraxen einmal mehr durch die sprunghaft gestiegenen Impfzahlen, so von Stillfried weiter: „Der deutliche Anstieg von Behandlungsfällen mit Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken im Jahr 2020 zeigt, dass die Vertragsärztinnen und -ärzte schnell auf die krisenhafte Situation reagiert und die Empfehlungen zum Schutz ihrer Patientinnen und Patienten ad hoc umgesetzt haben. So sind im Zeitraum von März bis Dezember 2020 rund 1,13 Millionen Pneumokokken- und 3,54 Millionen Influenza-Impfungen mehr vorgenommen worden als im Vorjahreszeitraum. Diese Zahlen zeigen einmal mehr: Die niedergelassenen Haus- und Fachärztinnen und -ärzte stehen bereit, die Menschen in Deutschland schnell, flächendeckend und unbürokratisch gegen das COVID-19-Virus zu impfen – wenn endlich dauerhaft genug Impfstoff in die Praxen fließt.“
Im Zeitraum vom 1. Februar bis 30. Dezember 2020 gab es insgesamt rund 19,9 Millionen Behandlungsanlässe wegen des klinischen Verdachts oder des Nachweises einer SARS-CoV-2-Infektion. Dabei sind in dieser Zeit rund 9,55 Millionen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 vertragsärztlich abgerechnet worden.
Während die Zahl der Behandlungsfälle mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt bis Ende Mai und wieder ab November gegenüber dem Vorjahr gesunken ist, sind die Fälle mit telefonischer Beratung und Kontakte per Videosprechstunde ab März 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich angestiegen. So sind im Zeitraum vom 4. März bis zum 31. Dezember 2020 insgesamt über 6,3 Millionen telefonische Beratungen abgerechnet worden. Das sind fast 2,7 Millionen mehr als im selben Vorjahreszeitraum. Hinzu kamen im zweiten und vierten Quartal weitere knapp 762.000 Stunden für telefonische Beratung, die über die im zweiten und vierten Quartal 2020 zeitweise in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) eingeführten Zuschläge vergütet wurden.
Bei den Videosprechstunden setzt sich der Anfang März 2020 beginnende Zuwachs an Behandlungsfällen im Verlauf von April bis Dezember weiter fort. So sind in diesem Zeitraum insgesamt fast 2,5 Millionen Videosprechstunden vorgenommen worden. Im Vorjahreszeitraum lag diese Zahl bei wenigen Tausend. Sowohl bei der Videosprechstunde als auch bei der telefonischen Beratung ist zu erkennen, dass mit Abflachen der ersten Pandemiewelle Ende April auch der Zuwachs an telefonisch oder per Video durchgeführten Beratungen abnimmt. Bei den Videosprechstunden steigen die Fallzahlen dann mit Beginn der zweiten Welle ab September erneut an. Bei der telefonischen Beratung ist ein erneuter Anstieg ab Oktober zu erkennen.
Mit Beginn des vierten Quartals 2020 gibt es bei der besonders sensiblen Versorgungsschnittstelle der Früherkennungsuntersuchungen Fallzahlzuwächse gegenüber dem Vorjahreszeitraum (Mammographie-Screening +10,3 Prozent, Kinderfrüherkennungsuntersuchungen +8,7 Prozent, Früherkennungskoloskopie +6,7 Prozent), die als kurzzeitige Nachholeffekte interpretiert werden können. Während die Fallzahlen bei den Früherkennungskoloskopien ab November wieder stärker absinken (bis zu minus 10,2 Prozent), fallen sie beim Mammographie-Screening und bei den Kinderfrüherkennungsuntersuchungen im weiteren Verlauf nur geringfügig unter die Vorquartalswerte bzw. nähern sich diesen an. Demgegenüber sinken die Fallzahlen bei den DMP-Schulungen über das gesamte vierte Quartal hinweg zunehmend ab (mit einem Minus von bis zu 18,4 Prozent).
Für den Bericht wurden dem Zi von 16 der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (ohne Bremen) Frühinformationen aus den Abrechnungsdaten des ersten und zweiten Quartals 2020 sowie aggregierte Informationen aus den Abrechnungsdaten des ersten und zweiten Quartals 2019 übermittelt. Für das dritte und vierte Quartal wurden von 15 KVen (ohne Bremen und Mecklenburg-Vorpommern) Frühinformationen aus den Abrechnungsdaten 2020 bzw. aggregierte Informationen aus den Abrechnungsdaten des Jahres 2019 zur Verfügung gestellt. Der Bericht knüpft an die Ergebnisse des dritten Zi-Trendreports zu den ersten drei Quartalen 2020 an.