Verspätet gemeldete COVID-19-Fälle erschweren regionale Vergleichbarkeit und effektives Pandemie-Management
Durch verzögerte Meldungen von COVID-19-Fällen durch die Gesundheitsämter an das Robert-Koch-Institut (RKI) fehlen diese Daten bei der Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenz. Hierdurch wird die regionale Vergleichbarkeit der Daten verzerrt. Zudem kann die Aussagefähigkeit dieser zentralen Kennzahl für bestimmte Kreise systematisch beeinträchtigt sein, wenn es um die im Infektionsschutzgesetz oder in Verordnungen festgelegten Grenzwerte für Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geht. Dadurch wird ein effektives Pandemie-Management beeinträchtigt. Zu diesem Ergebnis kommt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) anhand einer aktuellen Analyse der Meldedaten. Eine Neujustierung der Meldewege könnte dies künftig vermeiden. Zudem regt das Zi an, neben der Sieben-Tage-Inzidenz weitere Indikatoren als Grundlage für das COVID-19-Pandemie-Management heranzuziehen.
Sofern der Übertragungsweg der Meldedaten technisch und organisatorisch nicht zügig weiter verbessert werden könne, schlägt das Zi vor, die letzten Meldetage bei der Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenzen komplett auszuschließen. „Dies ist eine pragmatische Lösung, um kurzfristig einen belastbareren Indikator zum Pandemie-Management zu bekommen. Bei systematischen Meldeverzügen wie beim derzeitigen Berechnungsverfahren laufen wir sonst weiterhin Gefahr, dass einzelne Kreise dauerhaft mit zu niedrigen Werten in der Statistik des Infektionsgeschehens erscheinen“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Dass eine Meldequote von über 95 Prozent jedoch auch bei sehr hohen Inzidenzen möglich sei, zeige das Beispiel Thüringen. Hier schafften es die Kreise trotz sehr hoher Fallzahlen, zeitnah ein vollständiges Bild der Pandemie zu vermitteln. Dies sei trotz zum Teil deutlich geringerer Fallzahlen nicht überall so, erklärte von Stillfried.
„Auch die Fokussierung auf die Sieben-Tage-Inzidenz als einzige maßgebliche Kennzahl im Infektionsschutzgesetz und in den Infektionsschutzverordnungen der Länder ist zu hinterfragen. Da sie ausschließlich auf den gemeldeten Fällen beruht, hängt sie stark von der verwendeten Teststrategie ab; aktuelle Werte lassen sich daher kaum mit Werten aus der ersten Welle vergleichen. Zu unterschiedlich waren die jeweiligen Testsituationen, etwa in Bezug auf die Zahl der durchgeführten Tests, Testpositivquote und die Symptomatik der Getesteten. Es ist dringend notwendig, weitere zentrale Aspekte des Infektionsgeschehens in den Blick zu nehmen – allen voran die Auslastung der Intensivstationen oder die Inzidenz in den Risikogruppen, insbesondere der älteren Bevölkerung und Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld und in Heimen. Nur so werden wir ein wirklich effektives Pandemie-Management unterstützen können“, bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende.
Mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 19. November 2020 und insbesondere der Erweiterung um den Paragraphen 28a wurde die Sieben-Tage-Inzidenz zur maßgeblichen Kennzahl beim Management der COVID-19-Pandemie gesetzlich festgeschrieben. Die Sieben-Tage-Inzidenz beschreibt die Zahl der neu gemeldeten COVID-19-Fälle pro 100.000 Einwohnende in den letzten sieben Tagen und soll damit eine regional vergleichbare Zahl für das Infektionsgeschehen sein. Die Gesundheitsämter in den deutschen Kreisen und kreisfreien Städten übermitteln neu erfasste COVID-19-Fälle an das RKI. Bei dieser Übermittlung kommt es häufig aus technischen oder organisatorischen Gründen zu Verzögerungen, sodass ein Teil der gemeldeten Fälle erst mit einigen (meist ein oder zwei) Tagen Verspätung beim RKI eintrifft. Die nachträgliche Veränderung der Sieben-Tage-Inzidenz betrifft viele Kreise, teilweise in starkem Ausmaß.