Zi und Fachverband Leitstellen vertiefen Zusammenarbeit bei Verschränkung der Notrufnummern 112 und 116117

Effiziente Akut- und Notfallversorgung bedarf enger Kooperation von Integrierten Leitstellen und Terminservicestellen // Standardisierung der Abfragen von Notfallmerkmalen Voraussetzung für digitale Fallübergabe

Viele Menschen wenden sich mit Behandlungsanliegen, die aus medizinischer Sicht keine Notfälle sind, an den Rettungsdienst oder an die Notaufnahme eines Krankenhauses. Diese Strukturen der Notfallversorgung sind nicht nur besonders teuer, die Kapazitäten können in Zeiten des Fachkräftemangels auch nicht beliebig ausgeweitet werden. Somit besteht die Herausforderung, genau die Behandlungsanliegen zu erkennen, die zur Entlastung der Notfallversorgung anderswo adäquat versorgt werden können. Seit einigen Jahren wird deshalb vielerorts sehr intensiv daran gearbeitet, die vertragsärztliche Regelversorgung  in den Praxen und den ärztlichen Bereitschaftsdienst mit den Notaufnahmen der Kliniken und mit dem Rettungsdienst besser zu vernetzen. Ziel ist es, Hilfesuchende zur richtigen Zeit in die jeweils richtige medizinische Versorgungsebene zu steuern. Hier setzt die aktuelle politische Diskussion mit dem Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallG) an: Der Gesetzgeber will eine direkte Kooperation zwischen 112 und 116117 verankern. Das Ziel ist, Notfälle schnell innerhalb und weniger dringliche Fälle angemessen außerhalb der Notfallversorgung zu behandeln. Dies soll durch eine inhaltliche Abstimmung der standardisierten Notrufabfragen und durch die gegenseitige digitale Fallübergabe erreicht werden.

Für beides gibt es bereits Grundlagen, an denen das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und der Fachverband Leitstellen (FVLST) derzeit intensiv arbeiten. Das seit Januar von beiden Partnern initiierte Projekt zur Entwicklung eines gemeinsamen Kriterienkataloges für die einheitliche standardisierte Notrufabfrage (eSNA) nimmt jetzt konkrete Formen an. Dieser Kriterienkatalog soll die Zusammenarbeit der 116117 und der 112 auf der inhaltlichen Ebene stützen, indem die wesentlichen Kriterien für die medizinische Notrufabfrage und die gegenseitige Fallübergabe abgestimmt werden.  Für diese Arbeitsgruppe (Plattform 112/116117) unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen Bayerns, Berlin und Schleswig-Holstein konnten unter anderem die Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der  Berufsfeuerwehren (AGBF) sowie der Bundesverband der Ärztlichen Leitungen Rettungsdienst in Deutschland (BVÄLRD) gewonnen werden. Zudem sind Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Integrierten Leitstellen mit dabei. In gemeinsam festgelegten Arbeitspaketen werden einheitliche Notfallindikatoren sowie medizinische Dringlichkeitstiefen erarbeitet und für die Zusammenarbeit festgelegt.

Bereits seit einigen Jahren sind die Akteure vielerorts aufeinander zugegangen, so dass Beispiele guter Kooperation zwischen 112 und 116117 existieren. In einigen Bundesländern gibt es bereits erfolgreiche Projekte. Nach diesen Erfahrungen können bereits rund 10 Prozent der bei der 112 potenziell generierten Einsätze an die 116117 übergeben werden. Umgekehrt liegt der Anteil der Hilfeersuchen bei der 116117, die als Notfall an die 112 abgegeben werden müssen bei ca. 4 Prozent der medizinischen Ersteinschätzungen.

Wichtigste Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist die generelle Einführung einer standardisierten Notrufabfrage in den Integrierten Leitstellen. In den Terminservicestellen wird bereits bundeseinheitlich eine strukturierte und standardisierte Notrufabfrage vorgenommen. Die Strukturierung dient dazu, dass möglichst keine Warnzeichen übersehen werden. Die Standardisierung ist notwendig, damit auf vergleichbare Situationen jeweils angemessen reagiert werden kann. Im Zuge der im Entwurf des NotfallG vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen 112 und 116117 sollen sowohl die Strukturierung als auch die Standardisierung so weit vorangetrieben werden, dass die Notfallversorgung möglichst weitgehend von Einsätzen entlastet werden kann, die keiner Notfallbehandlung bedürfen. Dies erfordert eine widerspruchsfreie gegenseitige Fallübergabe.

Voraussetzung dafür ist, dass die Abfragen von Notfallindikatoren in vergleichbarer Weise erfolgen. Bisher existieren dafür keine softwareunabhängigen Kriterien. Bisherige Kriteriensysteme, wie etwa der Notarztindikationskatalog, sind meist nicht differenziert genug, um die Abfrage zu steuern. Bislang fehlt ein herstellerunabhängiges Referenzwerk, das es unterstützt, dass Abfragen in unterschiedlichen Systemen gleichartig durchgeführt und gegenseitige Übergaben widerspruchsfrei erfolgen können. Um die Leitstellen bei der Auswahl geeigneter Softwaresysteme zu unterstützen, erarbeiten Zi und FVLST Empfehlungen zur Strukturierung der Notrufabfrage und der Übergabepunkte zwischen 112 und 116117.

Als wichtiger Meilenstein ist daher ein gemeinsames Schaubild entstanden, das in einem Zwei- Säulen-Modell die prozessuale Vorgehensweise in der Bearbeitung von eingehenden Hilfeersuchen/Notrufen darstellt. Zudem werden für ausgewählte Notfallsituationen exemplarische Kriterienkataloge erarbeitet. Ziel ist es, nach Art eines medizinischen Leitlinienprozesses evidenzbasierte Kriterien der Notrufabfrage zu entwickeln, die als Benchmark zur Bewertung verfügbarer Softwaresysteme herangezogen werden und die Kooperation zwischen 116117 und 112 inhaltlich stützen können. Neu an dem Modell ist, dass in bestimmten Fällen bereits bei der Abfrage zwischen der 112 und der 116117 zusammengearbeitet wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Notrufabfrage im vorgesehenen Zeitfenster nicht zu einer klaren Einsatzindikation kommt. Eine Übergabe an die 116117 mit der Möglichkeit der ausführlicheren Abfrage von Risikomerkmalen kann dann in seltenen Fällen dennoch zur Feststellung eines Notfalls und zur Disposition eines Einsatzes führen. Eine solches Ergebnis wäre im Sinne der gezielten Zusammenarbeit positiv zu bewerten.  

Dies bildet den Grundstein für eine abgestimmte Interaktion zwischen 116117 und 112.  Ziel ist es dabei, die im Entwurf des NotfallG festgelegte inhaltlich widerspruchsfreie und technisch medienbruchfreie Übergabe zwischen allen Beteiligten auf valider Basis zu gewährleisten. Eine übereinstimmende Bewertung des Gesundheitszustandes am Telefon während der Bearbeitung von Notrufen und Hilfeersuchen ist dazu unabdingbar. Zur Umsetzung des Vorhabens hat das Zi inzwischen beim Gemeinsamen Bundesausschuss einen Förderantrag an den Innovationsfonds gestellt.
 

Schaubild zum Zwei-Säulen-Modell der Bearbeitung von eingehenden Hilfeersuchen/Notrufen
 

Die Medieninformation zum Download.