Zi feiert 50-jähriges Bestehen: Blick auf Herausforderungen zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung

Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und Selbstverwaltung diskutieren Transformationspfade der Gesundheitsversorgung // „Wer Zugang zur ärztlichen Behandlung will, muss radikal umdenken“

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat gestern in Berlin mit einem Fachsymposium und einem anschließenden Abendempfang sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Als führendes wissenschaftliches Institut der Versorgungsforschung arbeitet das Zi seit 1973, erst in Köln und seit 2004 in Berlin, an der Schnittstelle von Epidemiologie und ambulanter Praxis zu zentralen Fragen der medizinischen Versorgung in Deutschland.

Zur Eröffnung des fachlichen Teils der Jubiläumsfeier erinnerte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried daran, dass die ärztliche Behandlung durch die Praxen das Rückgrat der medizinischen Versorgung in Deutschland bilde. Ähnlich wie im Zi-Gründungsjahr stehe das Gesundheitswesen allgemein und die ärztlichen Praxen im Speziellen auch 2023 wieder vor besonderen Herausforderungen.

1973 beendete der Zusammenbruch des Währungssystems und die erste Ölkrise das deutsche Wirtschaftswunder. In der Folge sei die Gesundheitspolitik auf Ausgabenbegrenzung ausgerichtet gewesen. Die Finanzierung der ärztlichen Versorgung sei daher bis heute durch Budgetierungsmaßnahmen und begleitende Regulierung geprägt. Andere Bereiche des Gesundheitswesens hätten im Interesse einer angemessenen Finanzierung eine höhere Ausgabendynamik entwickeln können. 2023 sei nun unübersehbar, dass die Finanzierungs- und Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärzt:innen nachhaltig verbessert werden müssten, um für diesen wichtigen Bereich der medizinischen Versorgung die erforderlichen Fachkräfte gewinnen zu können.

Einig waren sich die Expert:innen bei der Tagung, dass der Fachkräftemangel die größte Herausforderung für die kommenden Jahre sei. Erneut stünde die ambulante ärztliche Versorgung vor einer Zeitenwende. Es müssten Lösungen gefunden werden, wie die infolge der Altersstruktur der heutigen Praxisinhaber:innen absehbare Ruhestandswelle kompensiert werden kann. „Wer in den letzten 50 Jahren eine Praxis übernehmen wollte, musste sich mühsam bewerben und konnte jahrelang gegängelt werden“, fasste von Stillfried das Ergebnis zusammen. Künftig hätten Ärzt:innen eine große Auswahl zwischen freien Praxissitzen oder einer Tätigkeit in anderen Bereichen des Gesundheitswesens. Gleiches gelte für die medizinischen Fachkräfte und andere für die Praxen wichtigen Gesundheitsberufe, so dass die Tätigkeit in einer Praxis möglichst attraktiv ausgestaltet werden müsse, bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende.

Sehr konkret wurden auch Gestaltungsoptionen in der Akut- und Notfallversorgung diskutiert. Auch hier waren sich die Expert:innen darin einig, dass parallele Versorgungsstrukturen in Zeiten des Fachkräftemangels nicht aufrecht zu erhalten sind. „Wir wollen die Patientinnen und Patienten nach gemeinsam abgestimmten Kriterien entsprechend der Behandlungsdringlichkeit schnell und sicher an den für sie richtigen Ort der medizinischen Behandlung steuern. Dadurch verbessern wir Behandlungsqualität, Patientensicherheit und Versorgungsmanagement. Zudem schonen wir ärztliche und pflegerische Kapazitäten“, machte von Stillfried deutlich.

Als wegweisend wurden Pilotprojekte zwischen dem RoMed Klinikum Rosenheim, der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und den Rettungsdiensten in Bayern vorgestellt, mit denen Hilfesuchende durch eine vom Zi bereitgestellten Software angemessen in eine Praxis oder in die Notaufnahme gesteuert werden können. Grundlage sei ein gestuftes Verfahren zur Beurteilung der Behandlungsdringlichkeit und der erforderlichen Ressourcen für Diagnostik und Behandlung. Liegt kein Notfall und eine Empfehlung zur vertragsärztlichen Behandlung vor, wird den Patient:innen eine Behandlung in einer nahegelegenen Haus- oder Facharztpraxis, sogenannten Kooperationspraxen, angeboten. Diese werden dann umgehend digital in einer geeigneten Kooperationspraxis angemeldet und dort behandelt.

Dieses gestufte Verfahren könne ein wichtiger Schritt zur Entlastung der Notaufnahmen von weniger schweren Fällen sein, bekräftigte Dr. Michael Bayeff-Filloff, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am RoMed Klinikum Rosenheim, im Rahmen des Zi-Diskussionspanels zur Reform der Akut- und Notfallversorgung. Von den selbsteinweisenden Patient:innen könne ein großer Anteil von Vertragsärzt:innen versorgt werden. Das Verfahren werde von den Patient:innen akzeptiert, Gefährdungen der Patientensicherheit habe es nicht gegeben, vielmehr sei die Durchführbarkeit der Steuerung belegt worden, so dass auch die Übernahme vertragsärztlich behandelbarer Patient:innen aus dem Rettungsdienst ins Auge gefasst werde.
Einigkeit bestand in der Expertendiskussion darüber, dass solche Lösungen vielerorts unter kooperationswilligen Krankenhäusern, Rettungsdiensten und Kassenärztlichen Vereinigungen bereits umsetzbar sind. Die Praxen würden die Zahl dieser Hilfesuchenden bislang gut aufnehmen können, mittelfristig müsste aber sicherlich auch darüber nachgedacht werden, ob wirklich alle Anlässe, wegen derer sich Patient:innen an die Praxen wenden, immer einen Arztkontakt erforderten.  

Die Medieninformation zum Download.

Die Folienpräsentationen der Vortragenden sowie weitere Informationen zur Tagung finden Sie hier.

 

Weitere Informationen

Daniel Wosnitzka

Leiter Stabsstelle Kommunikation / Pressesprecher