Usability von Praxisverwaltungssystemen (PVS) wichtiger Gradmesser für Nutzerzufriedenheit // Software-Dysfunktionalität kann Abläufe in der medizinischen Versorgung empfindlich stören // "Wechsel zu leistungsstarken Anwendungen sollte gefördert werden"
Für die Dokumentation und Abrechnung vertragsärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen sind Praxisverwaltungssysteme (PVS) elementar. Sie sind zentraler Ausgangspunkt für die Digitalisierung der medizinischen Versorgung und die Anwendungen der Telematik-Infrastruktur (TI) wie etwa das elektronische Rezept oder die elektronische Patientenakte. Die allgemeine Berufszufriedenheit in den Praxen hängt maßgeblich von der Leistungsfähigkeit der PVS ab. Je nach deren Funktionalität fallen Arbeitsabläufe in den Praxen effizienter oder zeitraubender aus. Fällt die Software ganz aus und gibt es Probleme, den Support zu erreichen, steht die Praxis still. Kurzum: Eine effiziente, fehlerfreie Systemnutzung erleichtert die tägliche Arbeit, reduziert unnötigen Aufwand und schafft Mehrwerte für Patientinnen und Patienten. Der Alltag in deutschen Arzt- und Psychotherapiepraxen ist davon jedoch häufig weit entfernt: Fast die Hälfte der Softwarenutzenden berichtet, dass der Praxisablauf mehrmals pro Woche oder gar täglich durch Softwarefehler gestört wird. Oftmals sind elementare Funktionen nach Softwareupdates betroffen oder die Funktionalitäten der TI können nicht fehlerfrei genutzt werden.
Drei von vier Arzt- und Psychotherapiepraxen in Deutschland würden ihre aktuelle Praxissoftware daher nicht weiterempfehlen. Viele wären bereit, ihr PVS zu wechseln, obwohl dies mit hohem Aufwand für die Praxen verbunden ist. Das waren die zentralen Ergebnisse einer bundesweiten Praxisumfrage zur Funktionalität und Nutzerzufriedenheit von Praxissoftware, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Mai 2024 erstmals veröffentlicht hat.
Auf Grundlage dieser Umfrageergebnisse hat das Zi heute eine wissenschaftliche Studie publiziert, in der die PVS im Hinblick auf Usability und Zufriedenheit der Anwendenden belastbar gemessen wurden. Dazu sind im März und April 2024 bundesweit Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie deren Mitarbeitenden in einem querschnittlichen Online-Survey befragt worden. Anhand von 10.245 Bewertungen hat das Zi die Gültigkeit und Mess-Zuverlässigkeit international etablierter Vergleichsskalen untersucht. Untersucht wurden der System-Usability-Scale (SUS, misst die Usability) und der Net-Promoter-Score (NPS, misst die Nutzerzufriedenheit). Zusätzlich wurde überprüft, welche Faktoren die Usability, die Nutzerzufriedenheit sowie die Bereitschaft zum PVS-Wechsel statistisch vorhersagen können. Es wurde ebenfalls analysiert, inwieweit die Nutzerzufriedenheit mit der individuell eingeschätzten Usability, mit einem PVS-Wechsel sowie mit der durchschnittlich von anderen eingeschätzten Usability des neuen PVS statistisch zusammenhängt.
Das Ergebnis: SUS und NPS sind dazu geeignet, die Usability und Nutzerzufriedenheit von PVS zu messen. Es wurden große Unterschiede zwischen den PVS gefunden. Eine größere Anzahl von Fehlersituationen und höhere Fehlerhäufigkeiten gehen statistisch mit einer geringer eingeschätzten Usability und einer geringeren Nutzerzufriedenheit einher. Zudem sind diese mit einer höheren Bereitschaft zum PVS-Wechsel assoziiert. Die Nutzerzufriedenheit ist zudem umso höher, je höher die individuell eingeschätzte Usability eines PVS ist. Auch ein kürzlich erfolgter PVS-Wechsel hängt mit einer höheren Nutzerzufriedenheit zusammen. Dies umso mehr, wenn der Wechsel zu einem PVS mit auch von anderen im Durchschnitt höher bewerteten Usability stattgefunden hat.
„Die Usability von PVS kann nicht nur die Berufszufriedenheit maßgeblich beeinflussen, sondern auch, wie schnell und weitreichend TI-Anwendungen in den Praxen ankommen und in der medizinischen Versorgung genutzt werden können. Häufige Funktionseinschränkungen können die Abläufe in der medizinischen Versorgung empfindlich stören und die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigen. Daher sollten regelmäßig Daten zur PVS-Usability erhoben und transparent veröffentlicht werden, um herstellerseitige Verbesserungen sowie nutzerseitige Wechsel des PVS zu unterstützen. Diese könnten künftig durch standardisierte Performance-Messungen in Praxen ergänzt werden, um zusätzliche Informationen zur Komplexität und Bearbeitungsdauer standardisierter Vorgänge zu erhalten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
„Klar ist: Wer die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunigen will, muss die Verbreitung leistungsfähiger PVS fördern. Ein Wechsel der Praxissoftware kostet aber viel Zeit und damit auch Geld. Sämtliche Behandlungsdaten müssen transferiert werden, das Praxisteam muss umgelernt werden. Aber auch Prozesse müssen neu definiert werden, unter Umständen neue Technik installiert und das Zusammenspiel mit externem Support eingeübt werden. Zudem muss in der Wechselphase oft auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden. Auf diesem Aufwand bleiben die Praxen derzeit alleine sitzen. Zu allem Überfluss sehen gesetzliche Regelungen Sanktionen für Praxen vor, wenn TI-Anwendungen nicht umgesetzt werden. Umfragen in Praxen legen nahe, dass die Frustration durch die Kombination von dysfunktionaler Software und Bestrafung in Kombination mit Fachkräftemangel die Sicherstellung der medizinischen Versorgung gefährden kann. Besser wäre es daher, den Wechsel zu einer leistungsfähigen Lösung finanziell zu belohnen. Erfahrungen im Ausland zeigen, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens schneller gelingt, wenn der Einsatz von Software mit nachweislich besserer Funktionalität bzw. einem besseren Service gefördert wird“, so von Stillfried weiter.
Das Zi wird die Usability, die Nutzerzufriedenheit sowie ggf. die Performance der PVS weiter untersuchen und in regelmäßigen Abständen dazu (wissenschaftlich) publizieren.
Wissenschaftliche Studie „Praxisverwaltungssysteme: Deutschlandweite Ergebnisse zu Usability, Nutzerzufriedenheit und Wechselbereitschaft aus 10.245 Bewertungen“:
https://doi.org/10.3205/mibe000269
Anzahl und Verteilung der PVS-Bewertungen (die grafische Darstellung der Ergebnisse ist aus o.g. Veröffentlichung abgeleitet):
https://www.zi.de/bidashboard/pvs-vergleich-2024
Die Medieninformation zum Download.