SmED User-Conference: Anwender diskutieren Erfahrungen und Szenarien für medizinische Ersteinschätzung in Notaufnahmen, Rettungsdienst und Rettungsleitstellen

Ersteinschätzungssoftware SmED kann Notaufnahmen und Rettungsdienste von weniger akuten Behandlungsfällen entlasten // Kontinuierliches Feedback optimiert Patientensicherheit und Userfreundlichkeit // Zi stellt Software für Anwender bereit

Im Rahmen einer zweitägigen „User-Conference“ hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) den aktuellen Entwicklungsstand und konkrete Anwendungspotenziale der Ersteinschätzungssoftware SmED (Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland) vorgestellt. Expert:innen aus der ambulanten und stationären Versorgung diskutierten ihre bisherigen Erfahrungen, Studienergebnisse und Anwendungsszenarien. Das Event stand unter dem Motto „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort medizinisch versorgt werden“. Wie dies gelingen kann, zeigte der sektorenübergreifende interdisziplinäre Austausch anhand zahlreicher Praxisbeispiele.

Seit einigen Jahren wird sehr intensiv daran gearbeitet, den Rettungsdienst, den ärztlichen Bereitschaftsdienst und die Notaufnahmen der Kliniken besser zu vernetzen. Damit sollen parallele Versorgungsstrukturen, unklare Verantwortlichkeiten oder fehlende sektorenübergreifende Koordination in der (ambulanten) Notfallversorgung in Deutschland vermieden werden. Ziele sind eine Bewertung der Behandlungsdringlichkeit nach gemeinsam abgestimmten Kriterien und eine schnelle und sichere Steuerung der Patient:innen an den für sie richtigen Ort der Behandlung. Digitale Instrumente sind dafür unerlässlich: Dazu zählt zum einen Software als Entscheidungshilfe im Rahmen einer strukturierten Ersteinschätzung, zum anderen Hilfsmittel zur digitalen Anmeldung von Patient:innen in Arztpraxen sowie eine sichere Weitergabe von Befunddaten.

Die Reform der Akut- und Notfallversorgung steht auch in dieser Legislaturperiode ganz weit oben auf der gesundheitspolitischen Agenda. Dabei sollen sich Hilfesuchende mit akuten gesundheitlichen Anliegen möglichst einfach und zu jeder Zeit zuerst einmal telefonisch oder digital beraten lassen können, bevor sie den Rettungsdienst oder eine Notaufnahme in Anspruch nehmen. Zentraler Baustein dafür ist die Implementierung eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens. Zu diesem Zweck stellt das Zi die von ihm mitentwickelte Software SmED zur Verfügung. SmED bietet ein hohes Maß an Patientensicherheit, Anwenderfreundlichkeit und medizinischer Evidenz.

Ein zentraler Anwendungsbereich von SmED ist bereits seit Januar 2020 etabliert. „Gesetzlich Versicherte haben seitdem die Möglichkeit, unter der Patientenservice-Nummer 116117 der Kassenärztlichen Vereinigungen eine telefonische Ersteinschätzung der Akutbeschwerden mit Unterstützung von SmED zu erhalten. Die Anrufenden werden dazu von qualifiziertem Personal strukturiert befragt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen vermitteln auf dieser Grundlage eine der Dringlichkeit angemessene ärztliche Versorgung. Seit Januar 2020 haben rund 4,4 Millionen Anrufende diese Beratung in Anspruch genommen, davon alleine 1,7 Millionen in den letzten zwölf Monaten. Seit Dezember 2021 ist zudem die über einen Chatbot konfigurierte digitale Selbsteinschätzung auf der 116117-Website online. Gut 172.000 Abfragen gab es seitdem. Seit April 2023 ist jetzt auch der elektronische Terminservice scharf geschaltet, über den die ersteingeschätzten Hilfesuchenden mit einem Vermittlungscode direkt selbst einen Arzt- oder Psychotherapietermin buchen können – alles rein digital und ohne zusätzliche Telefonate“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Weitere Anwendungsfelder wie SmED Kontakt, mit dem der Rettungsdienst bei der Frage „In die Klinik oder in die Arztpraxis?“ unterstützt werden soll sowie SmED Kontakt+ für den gemeinsamen Tresen von Vertrags- und Krankenhausärzt:innen, an dem entschieden wird, ob die Hilfesuchenden in Notaufnahme, Bereitschaftspraxis oder in die hausärztliche Versorgung gesteuert werden sollen, stünden für den Praxiseinsatz unmittelbar bereit.

Sowohl Dr. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, als auch Dr. Doris Reinhardt,stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, machten im Rahmen der Podiumsdiskussion deutlich, dass ein immenser Reformdruck auf der Akut- und Notfallversorgung laste, der nach innovativen Steuerungslösungen wie SmED geradezu verlange. Während Dahmen eine systematische Reform anstelle weiterer Leuchtturmprojekte in der medizinischen Versorgung anstrebt, forderte Reinhardt, im nun anstehenden Reformprozess aus den bereits bestehenden Erfahrungen der Steuerung zu lernen, anstatt gänzlich neue Strukturen aufzubauen. Die Personalknappheit lasse es nicht zu, weitere Ressourcen in die Notfallversorgung zu stecken. Vielmehr müssten die bestehenden Ressourcen genutzt werden, die Patient:innen mit weniger akuten Gesundheitsbeschwerden aus der Notfallversorgung in die Regelversorgung zu lenken. Zudem müssten die erheblichen Vorhaltekosten finanziert werden, die bei den Kassenärztlichen Vereinigungen bereits bestehen und die im Zuge der geplanten Maßnahmen noch erheblich zunehmen würden, wenn sich etwa alle Hilfesuchenden, die sich heute direkt in einer Notaufnahme vorstellen, künftig vorab telefonisch oder digital mit Hilfe einer strukturierten Ersteinschätzung orientieren sollten. Dahmen zeigte sich überzeugt, dass die digitale SmED-Selbsteinschätzung über die 116117-Website mit anschließender eigenständiger elektronischer Terminvereinbarung ein „game changer“ der Akut- und Notfallversorgung werden könne. So leuchte es sofort ein, dass es deutlich ressourcenschonender sei, bequem von zu Hause nach erfolgter digitaler Ersteinschätzung via SmED selbst einen Arzt- oder Psychotherapietermin zu buchen als zu „High Noon“ mit langer Wartezeit frustriert in der Notaufnahme zu warten.

„Datenauswertungen belegen, dass sich jeder zehnte Versicherte einmal jährlich selbständig an die Notaufnahme einer Klinik wendet. Mindestens ein Drittel bis etwa die Hälfte dieser Patientinnen und Patienten könne aber durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt ambulant behandelt werden. Dadurch könnten Ressourcen geschont werden, die eigentlich der Versorgung medizinischer Notfälle dienen – gerade vor dem Hintergrund, dass insbesondere im Rettungsdienst und an den Notaufnahmen der Kliniken immer häufiger medizinisches Fachpersonal fehlt. SmED kann dabei die Entscheidungen unterstützen, dass Patienten zur richtigen Zeit an den richten Behandlungsort geleitet werden“, so von Stillfried.

„Wir haben gezeigt, dass SmED sicher für Patientinnen und Patienten und effizient für Anwendende ist. Die Evidenz, wie eine bessere Steuerung in der Versorgung möglich ist, wird derzeit durch zahlreiche Projekte und Studien im Rettungsdienst, bei Rettungsleitstellen und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie in Notaufnahmen laufend verbessert. Vor diesem Hintergrund wollen wir die Software daher als einheitliche Sprache aller Beteiligten etablieren, wenn es um die Frage geht, ob eine Patientensteuerung in die vertragsärztliche Versorgung zu empfehlen ist. Wir stellen die Software als Service ab sofort zur Verfügung. Die laufende Pflege des Medizinprodukts stellt einen hohen Kostenfaktor dar, der auf die Gemeinschaft der Organisationen, die SmED einsetzen, umgelegt wird. Für Patientinnen und Patienten, die SmED als digitale Selbsteinschätzung nutzen wollen, fallen keine Kosten an.  Unsere erste User-Conference hat gezeigt, dass es einen hohen Bedarf für den Einsatz in der Akut- und Notfallversorgung gibt, aber sehr unterschiedliche Anwendungskonstellationen. Deshalb wollen wir Anwender und Interessenten weiterhin zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch zusammenführen und damit eine Nutzer-Community zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Software etablieren“, bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende abschließend.


Zum Hintergrund:
SmED basiert auf dem seit Jahren in der Schweiz etablierten evidenzbasierten Swiss Medical Assessment System (SMASS). SMASS wird insbesondere in der telemedizinischen Betreuung von akuten Behandlungsanliegen von Hilfesuchenden eingesetzt. Neue Abfrageprotokolle werden auf Basis von internationaler Evidenz entwickelt. Medizinische Kontroversen zu den Inhalten werden von einem internationalen Panel medizinischer Expert:innen kritisch hinterfragt und bewertet.

Für Deutschland arbeitet das Zi seit 2018 mit den Entwicklern von SMASS an Modifikationen und Ergänzungen, damit die Software optimal im deutschen Kontext eingesetzt werden kann. Dafür hat das Zi auch einen wissenschaftlichen Beirat eingerichtet, der die Entwicklung von SmED fortlaufend mit seiner Expertise unterstützt. Er besteht u.a. aus Vertreter:innen von niedergelassenen Haus- und Fachärzt:innen sowie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI).Ziel ist eine kontinuierliche, feedback­getriebene Weiter­entwicklung der Software unter stetiger Berücksichtigung der Patient:innen­sicherheit, der Anwender­freundlichkeit und der medizinischen Evidenz.

Weitere Informationen zu den Anwendungsgebieten und Referenzbeispielen von SmED sowie zum entgeltpflichtigen Lizenzerwerb finden Sie hier: https://smed.zi.de

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Daniel Wosnitzka

Leiter Stabsstelle Kommunikation / Pressesprecher