Chronische Nierenkrankheiten in der Altersgruppe ab 40 Jahren zwischen 2013-2022 mehr als 60 Prozent häufiger diagnostiziert // Erhöhte Erkrankungshäufigkeit in Ostdeutschland // Inanspruchnahme der Dialyse stagniert
Die Prävalenz diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten ist unter gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten ab 40 Jahren in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten zeigen zwischen 2013 und 2022 eine Zunahme von 4,43 auf 7,07 Prozent. Das entspricht einem relativen Anstieg um mehr als 60 Prozent. Insgesamt waren im Jahr 2022 fast 2,94 Millionen Patientinnen und Patienten von einer diagnostizierten chronischen Nierenkrankheit betroffen. Männer zeigten im Jahr 2015 mit 5,56 Prozent eine im Vergleich zu Frauen (3,65 Prozent) um 52 Prozent erhöhte altersstandardisierte Prävalenz. Infolge stärkerer Prävalenzzunahmen bei Frauen im Zeitverlauf ging dieser Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern schrittweise zurück und betrug 32 Prozent im Jahr 2022 (Männer: 7,75 Prozent, Frauen: 5,88 Prozent). Zeitgleich wies die Prävalenz der Dialyseinanspruchnahme keinen Anstieg auf. Im Vergleich zwischen 2013 und 2022 erhöhte sich der Anteil an Personen mit diagnostizierter chronischer Nierenkrankheit mit verschlüsseltem Erkrankungsstadium von 54 auf 76 Prozent. Besonders ausgeprägt war der Anstieg in dem für die Vermeidung einer Dialysebehandlung therapierelevanten Stadium 3, während die Prävalenz der höheren Stadien rückläufig war.
In Ostdeutschland konnte eine erhöhte Prävalenz diagnostizierter Erkrankungen beobachtet werden. So wiesen im Jahr 2022 Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg die höchsten Prävalenzwerte auf. Mit Ausnahme von fünf der acht Kreise in Mecklenburg-Vorpommern lagen die Kreise in Ostdeutschland nahezu vollständig im Bereich der höchsten 25 Prozent. Die Zahl dialysepflichtiger Personen veränderte sich über den zehnjährigen Untersuchungszeitraum hingegen wenig. Sie kumulierte sich im Jahr 2022 absolut auf über 86.000 und zeigte damit den im Zeitverlauf niedrigsten Wert (Höchstwert 2018: 89.844), wobei der beobachtete Rückgang auf ein vermehrtes Ausscheiden aus der Dialysebehandlung während der Pandemiejahre zurückging. Im Mittel waren in einem Quartal im Jahr 2022 72.814 Patientinnen und Patienten in Behandlung. Im Verlauf der Beobachtungsjahre ging der Frauenanteil an allen dialysepflichtigen Personen schrittweise von 40,7 Prozent auf 38,4 Prozent zurück.
Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie zu „Trends der Prävalenz diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten und der Inanspruchnahme der Dialyse in der vertragsärztlichen Versorgung“, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heute veröffentlicht hat.
„Die steigende Prävalenz diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten weist darauf hin, dass zuvor unerkannte chronische Nierenkrankheiten bei immer mehr Patientinnen und Patienten im ambulanten Versorgungsalltag erkannt, diagnostiziert und eher frühzeitig behandelt werden. Bei Frauen fällt der Anstieg der Prävalenz besonders ausgeprägt aus. Unter Berücksichtigung deutscher Primärdatenstudien könnte dieser Trend auf ein höheres Maß bisher nicht erkannter Erkrankungen beim weiblichen Geschlecht hindeuten. Starke regionale Prävalenzvariationen zeigen eine erhöhte Erkrankungslast in den ostdeutschen Bundesländern. Die regionale Konzentration erscheint angesichts einer erhöhten regionalen Morbidität durch die wichtigen Risikofaktoren Hypertonie und Diabetes Mellitus Typ 2 in diesen Regionen plausibel. Dies sind für die medizinische Versorgung in den besonders betroffenen Regionen große Herausforderungen. Denn mit einer chronischen Nierenkrankheit gehen oftmals Folge- und Begleiterkrankungen einher, die zusätzliche Anforderungen an die verfügbaren Kapazitäten in den Praxen und Krankenhäusern der Region stellen. Hier sind vor allem die niedergelassenen Haus- und Fachärztinnen und -ärzte als Erstversorgende gefragt. Unsere aktuell ausgewerteten Daten belegen, dass ihnen bundesweit, aber besonders in den nordöstlichen Bundesländern, eine wichtige Lotsen- und Präventionsaufgabe zufällt“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Die chronische Nierenkrankheit ist durch eine mindestens drei Monate bestehende Schädigung der Nierenfunktion charakterisiert. Sie kann laborchemisch durch Blut- oder Urinuntersuchungen sowie durch bildgebende bzw. pathologische Untersuchungen des Nierengewebes diagnostiziert werden. Das Risiko für eine chronische Nierenkrankheit nimmt mit steigendem Alter zu. Darüber hinaus gelten in industrialisierten Ländern Diabetes mellitus und Hypertonie als die häufigsten Risikofaktoren. Andere mögliche Ursachen reichen von genetischen Prädispositionen über Nebenwirkungen bestimmter Arzneimittel bis hin zu Autoimmunerkrankungen:
Datengrundlage der heute veröffentlichten Studie waren die bundesweiten pseudonymisierten krankenkassenübergreifenden vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V. Die Prävalenz diagnostizierter Nierenkrankheiten wurde pro Berichtsjahr (2013 bis 2022) als prozentualer Anteil Erkrankter an der Gesamtpopulation vertragsärztlicher Patientinnen und Patienten ab 40 Jahren im Bund nach Alter und Geschlecht sowie in den Bereichen der Kassenärztlichen Vereinigungen und auf Kreisebene ermittelt.
Holstiege J, Kohring C, Dammertz L, Heuer J, Samson-Himmelstjerna FA v, Akmatov MK, Müller D, Stillfried D v. Trends der Prävalenz diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten und der Inanspruchnahme der Dialyse in der vertragsärztlichen Versorgung. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 24/03. Berlin 2024 > https://doi.org/10.20364/VA-24.03
Die Medieninformation zum Download.